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FC St. Pauli |
25.09.2010, Millerntor-Stadion, Bundesliga |
Der FC St. Pauli ist zur aktuellen Spielzeit nach drei Jahren in der 2. Bundesliga ins deutsche Oberhaus
aufgestiegen und will es nach diesem fünften Aufstieg in die Bundesliga besser machen als beim letzten Mal.
In der Spielzeit 2000/2001 war man überraschend als Tabellendritter auf den Aufstiegszug aufgesprungen, um
in der nächsten Saison mit nur 22 Zählern abzusteigen und in der Folgesaison durch die 2. Liga durchgereicht zu werden.
Mit dem Ergebnis, daß der Club so gut wie Pleite war und nur durch diverse Hilfsaktionen weiterbestehen konnte, darunter der Verkauf von Weltpokalsiegerbesieger-Retter-T-Shirts, womit man auf den wohl einzigen Lichtblick eben dieser Bundesligaspielzeit anspielte, als die Kiezkicker trotz ihres letzten Tabellenplatzes den FC Bayern mit 2:1 besiegen konnten, der zuvor den Weltpokal gewonnen hatte. Aktuell mit ausgeglichener Bilanz auf Platz sieben stehend, hat St. Pauli durchaus gut in die Spielzeit gefunden, muß sich allerdings heute mit Borussia Dortmund auseinandersetzen, das nicht nur als Angstgegner der Hausherren ins Millerntorstadion kommt, sondern auch als eins der Teams der Stunde, das zuletzt einem überzeugenden 3:1-Derbysieg bei Schalke 04 einen klaren 5:0-Erfolg über St. Paulis Mitaufsteiger Kaiserslautern folgen ließ.
In der Anfangsphase dominieren die Gäste die Partie, und man merkt dem Team von Borussia Dortmund an,
daß die letzten Partien für eine gehörige Portion Selbstvertrauen gesorgt haben. Nach einer guten Viertelstunde ist es schließlich Kevin Großkreutz, der eine maßgerechte Flanke von Shinji Kagawa am langen Pfosten
einnicken kann. Unerkärlicherweise scheint es gerade diese Führung zu sein, die sich hemmend auf das Spiel
der Schwarz-Gelben auswirkt, denn es folgt eine Drangphase des FC St. Pauli, und nach dem Ausgleich durch
Rouwen Hennings in der 26. Minute geraten die Gäste richtig ins Schwimmen, so daß der BV Borussia zur Halbzeit
mit einem 1:1-Unentschieden gut bedient ist. Unmittelbar nach der Halbzeitpause folgt eine weitere dicke
Chance für die Kiezkicker inklusive Nachschußmöglichkeit, und daß die ausgelassen wird, dürfte den Fortgang
der Partie maßgeblich beeinflussen, denn der direkte Gegenzug bringt nach einer Unachtsamkeit in der St. Pauli
Defensive das erneute Führungstor für den BVB - diesmal trifft Kagawa selbst - und zehn Minuten später ist es
erneut Großkreutz, der einen Abpraller von St.-Pauli-Keeper Thomas Kessler nutzen kann, um das Leder zum 1:3
in die Maschen zu setzen. In der Folge bemüht sich der Aufsteiger nochmal, in die Partie zu kommen, aber das
junge BVB-Team agiert erstaunlich clever und die größte Chance der restlichen Spielzeit ergibt sich erneut für
die Gäste, bei der der eingewechselte Robert Lewandowski Kessler nicht überwinden kann.
Schon vor dem Einlaufen der Teams werden bei den Heimfans diverse Banner gezeigt, unter anderem eins, mit dem
die immer wiederkehrenden - aber unbelegten - Gerüchte aufgegriffen werden,
daß es sich bei der BVB-Fangruppierung Desperados um Rechsextreme handele. Der BVB-Anhang nutzt den liberalen
Umgang am Millerntor mit den Gästefans aus, um selbst
diverse Fahnen und Halter zur präsentieren, und auch ein großer Banner mit Aufschrift "Borussia wir lieben
Dich so sehr" fehlt nicht, dem man Transparente "So ein Kurvenbild ist nett!" "Aber ohne Pyro nicht komplett!"
folgen läßt, wozu eine Menge gelber Rauch in den Himmel steigt, was natürlich aus Sicht der Gastgeber ein Mißbrauch
der Freiheiten ist und in der kommenden Saison dazu führen dürfte, daß dem BVB-Anhang so ziemlich alles an Support-Utensilien
verboten wird. Man muß sich jetzt wohl mit der Frage auseinandersetzen, ob es das wert war. Während der Partie wird von
beiden Seiten gut supportet und am Ende werden beide Teams gefeiert, wobei der St.-Pauli-Anhang angesichts der Niederlage
honoriert, daß sein Team nicht aufgesteckt hat, auch wenn es dem BVB nach seinem zweiten Rückstand keine ernsthaften
Problem mehr bereiten konnte.
Das Millerntorstadion befindet sich zur Zeit im Umbau, wobei Haupt- und Südtribüne bereits in
neuem Glanz erstrahlen, während es auf der Nordseite und Gegengerade noch die provisorischen Lösungen
mit viel Stahlrohr gibt
(im Falle der Gegentribüne allerdings ein Provisiorium, das es in dieser Form seit 1988 gibt und
dessen Abriß sicherlich beim St.-Pauli-Anhang einige Emotionen auslösen wird). Wie dem
auch sei, passen jedenfalls aktuell 24360 Zuschauer in die Anlage, die irgendwann in der Zukunft wohl
über zugebaute Ecken verfügen und ihre Flutlichtmasten verlieren wird, wie es schon jetzt im neugebauten
Bereich der Fall ist. Die Fertigstellung des neuen Millerntorstadions im Rahmen eines stufenweisen
Komplettumbaus bei laufendem Spielbetrieb ist für 2014 geplant, wobei man hofft, die durch die
in dem Jahr ausgetragene Fußballweltmeisterschaft längere Sommerpause nutzen zu können, um Maßnahmen
durchzuführen, die den laufenden Betrieb zu sehr einschränken würden. Durch den Umbau nicht beeinträchtigt
werden soll übrigens die Stehplatzkultur beim FC St. Pauli und, wenn gefragt wird, was denn wäre, wenn der
Club einmal im internationalen Geschäft auftauchen würde, besteht die Antwort aktuell (noch?) aus ungläubigem
Gelächter. Ein weiterer Sieg der Morderne ist übrigens, daß es inzwischen eine elektronische Anzeige am
Millerntor gibt, die in der Ecke zwischen Südkurve und Gegengerade untergebracht ist. Aber auch die
alte Stecktafel ist nicht verloren, sondern im Inneren der Südtribüne in exponierter Lage an der Wand
befestigt, wo sie bis auf weiteres das Weltpokalieger-Besiegerergebnis von 2:1 anzeigen wird.
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